Der Verein

Was ist die Pfarrer Landvogt-Hilfe e. V. (PLH) und wie ist sie entstanden?
 
In einem Gebets- und Meditationskreis von Jugendlichen der Stadt Mainz stellte sich in den 70er Jahren die Frage nach einem glaubwürdigen christlichen Engagement in der damaligen Zeit.
 
Wie kann man die Botschaft Jesu in die Tat umsetzen?
 
Christlicher Glaube sollte nicht im Raum der Kirche verbleiben, sondern in die Gesellschaft hineingetragen werden, um sie zu verändern, ein Stück menschlicher zu machen. Susanne Stein: "Es wurde der Wunsch in mir wach, ihnen von Gottes Liebe zu künden, und ich wusste, dass ich nur glaubwürdig bin, wenn ich gut zu ihnen bin." So wie Jesus sichdenen zugewandt hatte, die in der Gesellschaft nicht zählten, von ihren Mitmenschen missachtet oder verachtet wurden, so wurde es das Programm der PLH, den Menschen Hilfe anzubieten,"die in leibliche oder seelische Not geraten sind". Die Sorge gilt in besonderer Weise "den Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, z. B.Wohnungslose, Obdachlosen, entlassenen Strafgefangenen." (Satzung)
 
Angeleitet von einem Kapuzinerpater wurde die Idee geboren, sich für Arme und Bedürftige einzusetzen. Und zwar ganz praktisch: Ihnen mit gebrauchten Möbeln, die miteinem alten VW-Bus eingesammelt wurden, zu helfen. Bald kamen Kleider hinzu. Als Name wählte die Gruppe den des Mainzer Pfarrers Franz Adam Landvogt, der sich in beispielgebender Weise für Notleidende eingesetzt hatte. Dadurch entwickelte sich zunehmend ein Kontakt zu Wohnungslosen, Stadtstreichern. Die Gruppe lernte deren Not kennen: Insbesondere die fehlenden übernachtungsmöglichkeiten, die sich im strengen Winter besonders bemerkbar machten. Deshalb sorgten sie dafür, dass übernachtungsmöglichkeiten in der Kapelle der Bonifatiuskirche geschaffen wurden. Schließlich erfuhr man von der Initiative der Haushälterin des Dompfarrers, Susanne Stein, die Wohnungslosen täglich Essen und Trinken an der Haustür des Pfarrhausesanbot. Daraus entstand die Idee einer "Teestube", in der sich Wohnungslose aufhalten konnten. Damit hatten sich so zahlreiche Aktivitäten entwickelt, dass es eines festeren Rahmens bedurfte.
 
Daher wurde 1981 der Verein PLH gegründet.
 
Dass Jesus nicht vor scheinbar "schlechter Gesellschaft" zurückschreckte, empfand und empfindet der Verein als Auftrag und Verpflichtung für das eigene Handeln. So wurde ein Verständnis von Nächstenliebe entwickelt, das danach fragt, wer am meisten der Hilfe bedarf. Das "Programm" der PLH ist jedoch nicht nur die konkrete Hilfe für diese Menschen (vgl. "Angebote"), sondern auch ein Stück "öffentlichkeitsarbeit" und "Bewusstseinsbildung". Die PLH möchte Vorurteilen und Klischeebildungen entgegenwirken und romantische Vorstellungen des "Normalbürgers" über wohnungslose Menschen widerlegen: Das "Leben auf der Strasse" ist mitnichten eine selbstgetroffene freiwillige Entscheidung, sondern in der Regel das Resultat schwerer Schicksalsschläge. Es geht darum, sich Menschen ohne Wohnung vorurteilsfrei zuzuwenden und ihnen Hilfen in ihren persönlichen Schwierigkeiten anzubieten. Dazu gehört auch die richtige Begrifflichkeit: Noch immer werde Wohnungslose als "Nichtsesshafte" bezeichnet, mit einem Begriff, der aus der NS-Zeit stammt und ideologisch geprägt ist. Er vermittelt unterschwellig den Eindruck eines persönlichen oder charakterlichen Defizits. In Wirklichkeit aber ist Wohnungslosigkeit das Resultat völlig verschiedener Prozesse und Umstände.
 
Ausgehend von der Hilfe in unmittelbarer Not hat die PLH sich zu einem Hilfs-, Beratungs- und Betreuungsverein für Menschen ohne Wohnung und zu einer Lobby für diese Menschen entwickelt. Ein Schwergewicht liegt heute bei der Unterstützung der Wiedereingliederung (Start-Hilfe) und der Hilfe für diejenigen, die nirgendwo sonst aufgenommen werden. Die Gründungsgruppe ist auch 20 Jahre nach der Entstehung noch aktiv, viele leisten noch immer ehrenamtliche Arbeit. Neue ehrenamtliche Kräfte können immer wieder dazu gewonnen werden: z.B. durch das Wohnwagenprojekt, studentische Arbeitskreise, aber auch dadurch, dass junge Frauen und Männer nach ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr zum Kreis der ehrenamtlichen Helfer gestoßen sind. In einer Zeit, in der viele (Parteien, Gewerkschaften, Vereine) über geringere Bereitschaft zu ehrenamtlicher Tätigkeit klagen, fällt dies besonders auf. Sicher hängt die Bereitschaft, sich im Rahmen der PLH für Menschen in Not zu engagieren, damit zusammen, dass viele Mitglieder der PLH auch eine spirituelle Gemeinschaft bilden und sich regelmäßig zum gemeinsamen Gebet und Gottesdiensten treffen. Die Arbeit gewinnt so eine geistliche Basis. Auch das Miteinander der ehrenamtlichen Helfer untereinander und deren Verhältnis zu den Wohnungslosen ist von diesem Geist geprägt. In diesem Zusammenhang sollen keine Illusionen über das Verhältnis von Obdachlosen zur Religion und Kirche geweckt werden. Allerdings sorgt die PLH auch dafür, dass verstorbene Wohnungslose ein christliches Begräbnis erhalten. Die Zusammenarbeit zwischen haupt- und ehrenamtlichen Kräften ist erfreulicherweise vom Geist des Miteinander bestimmt.
 
Die PLH ist heute nicht nur eine "gute Adresse" für ihr Klientel, sondern auch wegen ihrer Kompetenz und Erfahrung ein geschützter und anerkannter Gesprächspartner für Stadtverwaltung, Parteien, Medien etc. Die Wertschätzung äüßert sich in einer Reihe kleiner Auszeichnungen für die geleistete Arbeit. In der aktuellen Frage einer Standortverlagerung vertraut die PLH auf diese Stärken: Auf das gewachsene ehrenamtliche Engagement, auf ihr geistliches Fundament, auf ihre Bekanntheit und die - durch die PLH mitbewirkte - größere Sensibilität für die Probleme von Menschen ohne Wohnung.
2011 ist es dann soweit: Der Bau F der Zitadelle wurde am 30.12.2011 an die Pfarrer-Landvogt-Hilfe übergeben. Im Januar 2012 beginnen die Umbauarbeiten.
Die Start-Hilfe zieht um und ist ab 5.November 2012 in den neuen Räumen auf der Zitadelle zu erreichen
Mit der Adventsfeier am 2. Dezember 2012 beginnt die Teestube den Betrieb in den neuen Räume
 
Angebote und Tätigkeitsfelder
 
Die PLH gliedert sich in mehrere Aufgabenbereiche. Zuerst entstand im Februar 1979 das Möbel- und Kleiderlager, im März 1980 die Teestube, ab Dezember 1982 für die Wintermonate Oktober - April eine Notübernachtungsstelle für 14 Personen, im Februar 1987 wurde eine Beratungsstelle mit ambulanter Hilfe für Wohnungslose ("Start-Hilfe") eröffnet, die mit hauptamtlichen Fachkräften der Sozialen Arbeit ausgestattet ist. Grundsätzlich gilt für alle Hilfsangebote der PLH, dass der Hilfestellung die Eigeninitiative der Hilfsbedürftigen vorangehen muss. Ein "überstülpen" von Hilfe soll vermieden werden. Wegen Umzug in kleinere (provisorische) Räumlichkeiten sind seit Sommer 2002 das Möbellager und die Notübernachtung geschlossen. Auch das Kleiderlager hat kleinere Räumlichkeiten als das ursprüngliche.
 
Kleiderlager
 
Seit Beginn der Tätigkeit der PLH wird ein Kleiderlager unterhalten. Grundsätzlich werden alle Gegenstände kostenlos an Hilfesuchende abgegeben. Um die entstehenden Kosten zu decken, werden die Empfänger jedoch um eine kleine Spende gebeten. Während der öffnungszeiten des Lagers werden durchschnittlich 25 Personen betreut.
Das Kleiderlager wurde in der Corona-Zeit geschlossen und nicht wieder eröffnet.
 
Teestube
 
In der Teestube können Wohnungslose frühstücken, selbst Mahlzeiten zubereiten, sich waschen oder duschen, Kleider wechseln und Wäsche waschen lassen. Außerdem stehen Spinde zur Aufbewahrung von persönlichen Gegenständen zur Verfügung.
 
Sie ist werktags von 8.30 - 10.30 Uhr und von 17.00 - 19.00 Uhr geöffnet, sonntags von 8.00 - 9.00 Uhr. Die Teestube und das Kleiderlager werden von ehrenamtlichen MitarbeiterInnen betreut. Unterstützung erhalten sie von zwei Personen im Freiwilligen Sozialen Jahr. Tee, Bouillon, Brot, Margarine und Marmelade werden kostenlos ausgegeben, für eine Tasse Kaffee sind 0,10 € zu entrichten. Alle anderen Leistungen sind kostenfrei. Mit der Einrichtung der Teestube wird versucht, Wohnungslosen einen Platz zum Ausruhen, für Kommunikation und für die Erledigung alltäglicher Aufgaben (Wäsche) zu schaffen. Damit wird bewusst ein Gegensatz zu Umwelt geschaffen, in der Wohnungslose regelmäßig von den Orten, an denen sie sich treffen, vertrieben werden. In der Teestube besteht eine strikte Hausordnung, die z.B. ein Alkohol- und Gewaltverbot einschließt. Die MitarbeiterInnen haben im Laufe der Zeit eine Vertrauensbasis geschaffen, so dass sie vielfach als Gesprächspartner gesucht werden - und auch als Ratgeber und Helfer.
 
Start-Hilfe
 
Im Jahre 1987 wurde auf Anregung der PLH die "Start-Hilfe" geschaffen. Ihre Aufgaben sind vor allem "aufsuchende Hilfe" (Streetwork), Beratung und Nachsorge. Die Start-Hilfe ist damit eine fachlich fundierte Ergänzung der bestehenden Angebote der haupt- und ehrenamtliche "Wohnungslosenhilfe" in Mainz. Nach einer erfolgreichen Wohnungsvermittlung ist es notwendig, durch intensive Betreuung in einer neuen Situation Hilfe zum "Sesshaftmachen" zu leisten. Nur so kann der Status quo verändert, eine neue Lebenschance eröffnet werden. Für die Arbeit wird fachlich geschultes Personal gebraucht. Sie wird von drei Fachkräften der Sozialen Arbeit (in Teilzeitbeschäftigung) geleistet. Die Finanzierung erfolgt durch den Verein und einen Zuschuss der Stadt Mainz. Die Start-Hilfe unterhält eigene Räumlichkeiten, in denen nicht nur die administrativen Arbeiten erledigt werden, sondern die auch für Beratungsgespräche genutzt werden. Besonders hervorzuheben ist das "Wohnwagenprojekt": Auf dem Gelände von Kirchengemeinden wird je ein Wohnwagen aufgestellt, der einem bisher Wohnungslosen einen neuen festen Lebensort bietet. So soll die Wiedereingliederung in die Gesellschaft gefördert werden. Dabei bietet das Umfeld der Pfarrei eine besondere Chance, Hilfen zu erfahren und ins Gespräch zu kommen. Auch dies ist ein Beitrag, Vorurteilen entgegenzuwirken. Die Kooperation mit den Pfarreien hat sich bestens bewährt.
Die Start-Hilfe ging 2020 in die Trägerschaft des Caritasverbandes Mainz e.V. über.
 
Finanzierung
 
Der Verein verzichtet auf einen festgesetzten Mitgliedsbeitrag, weil er zu 80% aus ehemaligen oder noch aktiven ehrenamtlichen Helfern besteht. Er finanziert sich aus freiwilligen Mitgliedsbeiträgen, Spenden sowie - für bestimmte Tätigkeitsfelder wie die Start-Hilfe - Zuschüssen der Stadt Mainz.